Hallo Herr Sieger, heute dürfen mit Ihnen über Ihre Welt zwischen Design und Manufakturarbeit sprechen. 2005 begann die Zusammenarbeit mit FÜRSTENBERG. Erklären Sie mir doch bitte, wie genau es dazu kam und wie sich Ihr Leben seitdem verändert hat.

Christian Sieger: Seit Anfang der Neunziger Jahre beschäftigen wir uns intensiv mit dem Thema Tischkultur, haben damals die Formen „Cult“ und „Tric“ für Arzberg sowie Besteckentwürfe für WMF entwickelt und waren zudem umfangreich für Ritzenhoff tätig. So sind wir auch immer wieder FÜRSTENBERG auf der Frankfurter Messe Ambiente begegnet. Die erste Zusammenarbeit hat dann unser Vater realisiert, indem er hier einen selbst entworfenen Kerzenleuchter fertigen ließ. Er empfahl uns schließlich, Kontakt aufzunehmen. Wir suchten zu der Zeit nach einem Partner, der unseren Anspruch in Bezug auf Kultur, Qualität und Innovationsbereitschaft teilt. Zudem hat sich die räumliche Nähe positiv bemerkbar gemacht, so dass wir in weniger als zwölf Monaten ein umfangreiches Service und einige Geschenkartikel entwickeln konnten.

Wie sich mein Leben dadurch verändert hat? Seitdem wir unser eigenes Service vermarkten, hat es in vielerlei Hinsicht besonderen Spaß gemacht, Menschen für die Tischkultur zu begeistern. Je häufiger wir uns – dank unseres Porzellans – zum gemeinsamen Essen treffen, desto häufiger findet wahre Kommunikation statt, umso intensiver ist der persönliche Austausch. Das ist auch das, was mein Leben neu bereichert: zu sehen, wie Menschen kulturelle Werte schaffen und leben – und wie wir verschiedene Zielgruppen rund um den Globus im privaten Umfeld oder in der hochwertigen Gastronomie begeistern können.

Mit Ihrem modernen Design und der außergewöhnlichen Handwerksqualität von FÜRSTENBERG schoss die Marke SIEGER by FÜRSTENBERG wie durch die Decke. Es war augenblicklich ein riesen Erfolg. Was glauben Sie, woran das lag.

Michael Sieger: Dies lag zum einen sicherlich an der Besonderheit und Einzigartigkeit des Tafelservice MY CHINA!, das ich entwickelt hatte, da ich einfach kein vergleichbares Porzellan fand, das meine Ansprüche erfüllen konnte. Das Service verbindet universelle Funktionalität mit höchster Manufakturqualität. Wir sind davon überzeugt, dass viele Menschen heute nach dem Luxus für jeden Tag suchen, ohne auf praktische Eigenschaften wie zum Beispiel Spülmaschinenfestigkeit verzichten zu wollen.

Christian Sieger: Darüber hinaus sind wir auch mit unserem Champagnerbecher Sip of Gold gestartet, der ebenso einzigartig war – und es immer noch ist. Innen 24-karätig vergoldet, schafft er ein Trinkerlebnis, bei dem Reflexionen den Eindruck flüssigen Goldes erzeugen. Häufig entwickeln wir Produkte und Objekte, die wir selbst schon immer gesucht, aber nie gefunden haben. Dinge, die es so einfach noch nicht gab. Viele Menschen wissen es wieder zu schätzen, die gedeckte Tafel mit hochwertigen Objekten zu gestalten. Dieser Entwicklung entsprechend, verbinden unsere Produkte moderne Formen und eine traditionsreiche, aufwendige Herstellung. Um dies auch zu kommunizieren, haben wir von Beginn an viel in die Präsentation der Marke – sei es in den Medien oder bei Veranstaltungen – investiert. Wir waren auf jeder Markteinführung präsent und haben in den ersten Jahren vielen Händlern und Kunden unsere Kollektionen persönlich vorgestellt. So konnten wir die Besonderheiten der Produkte direkt erlebbar machen.

Mit der MY CHINA! Kollektion haben Sie eine Serie geschaffen, die man endlos kombinieren kann. Damit sind Sie den Menschen in Erinnerung geblieben. Wie sind Sie auf solch eine grandiose Idee gekommen?

Michael Sieger: Bereits bei „Cult“ und „Tric“ für Arzberg gab es eine Reihe an Funktionalitäten, die wir für MY CHINA! weiterentwickelt haben. Das Service ist flexibel, vielseitig und wandelbar – es wird der modernen Tischkultur jederzeit gerecht, vom kleinen Frühstück bis zum eleganten Dinner. Dafür sind die Maße und Durchmesser der Teile exakt aufeinander abgestimmt, so dass man beispielweise ein und dieselbe Untertasse für alle Tassen verwenden kann, gleich ob Espresso-, Kaffee- oder Cappuccinotasse. Auch die Schalen lassen sich optimal mit den Tellern kombinieren, die so beim festlichen Abendessen mit Gästen zu praktischen Servierhilfen werden. Eine Besonderheit ist die Cloche – man kennt sie von den Inszenierungen aus der Sterne-Gastronomie, aber auch im Alltag kann sie einen praktischen Nutzen haben. Ich selbst greife zu ihr, wenn ich das Sonntagsfrühstück vorbereite und das Rührei warmhalten möchte. Natürlich passt sie flexibel auf die Schalen und Teller der Kollektion. Zudem gaben wir ihr einen zusätzlichen Mehrwert: man kann sie einfach umdrehen und als weitere Schale verwenden.

Christian Sieger: Wir wollten etwas, das unseren persönlichen Ansprüchen genügt: ästhetisch und qualitativ hochwertig sowie intelligent.

Wie kamen Sie darauf, den Dekore Treasure zu schaffen – Geschirr mit 99%igem Platin oder 24-karätigem Gold, das komplett von Hand aufgetragen wird?

Michael Sieger: Nach dem farbenfrohen und sehr expressiven Dekor „Emperor’s Garden“ entwickelten wir den vergleichsweise reduzierten, aber ebenso wirkungsvollen Dekor „Treasure Platin“ und – aufgrund des großen Erfolgs – auch bald „Treasure Gold“. Mir war es besonders wichtig, dass der von Hand aufgemalte Rand nicht nur auf der Vorderseite der Teller, sondern auch auf der Rückseite zu finden ist. Um in der Vielfalt der Teile Spannung zu erzeugen, variieren je nach Produkt die Randbreiten des Edelmetalls.

Christian Sieger: Ein Dekor ist ein sehr stilprägendes Moment für die Wirkung der Tafel und des gesamten Raumes. Daher haben wir bewusst sehr heterogene Dekore entwickelt, mit denen unterschiedliche Inszenierungsmöglichkeiten entstehen und die verschiedene Geschmacksrichtungen bedienen. Und: die Muster beleben sich gegenseitig, da sie sich sehr gut kombinieren lassen.

Alles wird bis heute in feinster Handarbeit gefertigt, sogar Verzierungen werden mit einem Pinsel aufgetragen. Bei solch einer großen Masse an Geschirr ist dies doch kaum zu bewältigen, oder?

Christian Sieger: Auch in der Manufakturarbeit ist es heutzutage notwendig, mehrheitsfähig zu sein. Nur wenige Kunden sind dazu bereit, sich ihr Tafelservice zu sehr hohen Kosten einzeln anfertigen zu lassen oder lange auf ihre Lieferung zu warten. Darauf ist FÜRSTENBERG eingestellt, was Einrichtungen, Prozesse usw. betrifft. Und unser Anspruch an die Qualität und Besonderheit ist einfach kompromisslos ...

Würden Sie sich als die moderne Seite von FÜRSTENBERG bezeichnen?

Christian Sieger: Vor gut 12 Jahren war FÜRSTENBERG sicherlich eine sehr klassische Manufaktur mit einem regionalen bis nationalen Bekanntheitsgrad. Unsere internationale Ausrichtung war von Anfang an nur möglich, weil wir einen modernen Markenauftritt für SIEGER by FÜRSTENBERG realisierten. In den letzten fünf Jahren hat sich FÜRSTENBERG aber auch stärker in eine moderne Richtung orientiert und Designprojekte lanciert, die eine neue Sprache sprechen.

Wo nehmen Sie Ihre Inspirationen her?

Michael Sieger: Kunst, Kultur, Reisen, Literatur – wir gehen mit offenen Augen durch die Welt. Ich bin viel, beispielsweise auf Messen, unterwegs, das bringt der Beruf so mit sich. Privat gehe ich gern ins Theater und besuche Ausstellungen. Inspiration finde und hole ich mir überall. Das Besondere an der Inspiration ist ja, dass sie nicht steuerbar ist. Eine Inspiration kann ein spezielles Erlebnis sein oder die Begegnung mit einem Menschen.

Erklären Sie mir bitte kurz, wie genau es abläuft, wenn Sie wieder eine neue Serie designen. Skizzieren Sie erst einmal zu Hause und sitzen in Papierbergen oder fliegen Ihnen die Ideen auf der Straße nur so zu?

Michael Sieger: Neue Ideen halte ich zunächst per Handskizze fest – dafür habe ich eigentlich immer mein Scribble-Buch dabei. Danach entstehen relativ schnell 2D- oder 3D-Zeichnungen sowie ein erstes, meist sehr einfaches Modell. Um die Dimensionen zu begreifen, reicht bei einer zylindrischen Schale beispielweise ein Papierstreifen, den wir zu einem Ring schließen. In unserer eigenen Modellbauwerkstatt und mit unseren 3D-Druckern folgt dann noch eine ganze Reihe an weiteren Modellen bis das finale Produkt definiert ist.

Was denken Sie, wie wird es weitergehen?

Christian Sieger: Wir freuen uns sehr darüber, dass SIEGER by FÜRSTENBERG weltweit bei hochklassigen Fachhändlern präsentiert und auch in Privatjets, Jachten oder 5-Sterne-Hotels verwendet wird. Gerade letztere werden in Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Luxushotels sind heute Erlebnistempel, in denen Sehnsüchte geweckt werden, eine Marke erfahren wird. Diese Emotionen gilt es überall zu transportieren. Selbstverständlich werden wir uns dafür weiterhin intensiv mit dem Thema Tischkultur beschäftigen, unsere erfolgreiche Positionierung im Premiumsegment der Designbranche weiter ausbauen und persönlich Projekte und Themen wählen, bei denen wir wissen, dass sie eine Berechtigung haben.

Der Onlineshop BREGNER.com und Tatjana Istomina sind sehr stolz auf das Autogramm von Ihnen und das angenehme Treffen. Wir beschäftigen uns mit Luxus, was ist Luxus für Sie?

Christian Sieger: Luxus ist die Konzentration auf das Wesentliche. Luxus braucht Zeit und Demut für Details, setzt Wissen voraus, denn der Wert eines Gutes bemisst sich nicht am Preisschild – sondern an allerbester Qualität, Handwerkskunst, Verfügbarkeit an exklusiven Orten usw. Das erfordert größtes Know-how, damit perfekte Funktionalität mit feinstem Material zu realisieren ist. Letztlich muss man den Menschen auch die Zeit geben, die sie brauchen, um diese Qualität herzustellen – und dies entsprechend honorieren. Sich Zeit zu nehmen und zu geben, um Partnerschaften und Produkte reifen zu lassen, ist eine Voraussetzung – wenn nicht der Inbegriff – von Luxus.